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Geschichte vermitteln in Zeiten von KI

Minden -

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Historiker und Journalist Frank Werner referierte auf Einladung des Dombau-Vereins Minden über Geschichtsvermittlung in Zeiten von Künstlicher Intelligenz. Foto: DVM/privat

Die Nachfrage nach fundierter Geschichtsvermittlung wächst – besonders in Zeiten, in denen gesellschaftliche Unsicherheiten zunehmen. „Menschen suchen Orientierung“, betonte Frank Werner, Chefredakteur des Magazins ZEIT Geschichte, in seinem Vortrag „Geschichte vermitteln in Zeiten von KI“, zu dem der Dombau-Verein Minden (DVM) ins Haus am Dom eingeladen hatte. 

Digitale Kanäle spielten dabei eine immer größere Rolle, so Werner. Die Social-Media-Formate von ZEIT Geschichte erreichten inzwischen Hunderttausende, und der Geschichtspodcast der Redaktion zähle bis zu 200.000 Hörerinnen und Hörer pro Folge.

Doch genau in diesem digitalen Umfeld, so der Journalist und Historiker, wachse zugleich ein Problem: die Verwischung der Grenzen zwischen Realität, Fälschung und künstlich erzeugten Inhalten. Der Hype um Künstliche Intelligenz führe in manchen Redaktionen bereits dazu, dass KI zum festen Bestandteil der Textproduktion werde – mit fragwürdigen Konsequenzen. Als Beispiel nannte Werner die Boulevardzeitung EXPRESS, die kürzlich eine vollständig KI-generierte „Mitarbeiterin“ namens Klara Indernach präsentierte, die journalistische Texte verfassen soll.

Für ZEIT Geschichte komme ein solcher Umgang mit KI jedoch nicht infrage: „Wir nutzen KI für Ideen und Themenvorschläge – aber unsere Texte werden ausschließlich von Journalistinnen und Journalisten verfasst“, stellte Werner klar. Gerade bei historischen Themen brauche es kritische Prüfung, belastbare Quellen und ein sicheres Urteilsvermögen. Die Künstliche Intelligenz arbeite hier „sehr unzuverlässig“ – sowohl inhaltlich als auch in der Auswahl und Einordnung historischer Daten.

Ein Schwerpunkt seines Vortrags lag auf der Frage, wie KI gezielt zur Erzeugung historischer Falschinformationen genutzt wird. Besonders im Bereich der Holocaust-Darstellung würden zunehmend manipulierte Texte und Bilder in Umlauf gebracht – ein Trend, der von rechtsextremen Gruppen bewusst instrumentalisiert werde. Doch Werner warnte davor, allein der Technik die Schuld zuzuschieben: „Das Problem sind wir selbst“, sagte er. Die Gesellschaft müsse ihre Fähigkeit stärken, falsche Informationen zu erkennen und einzuordnen.
Vor diesem Hintergrund gelte es, die von KI formulierten Desinformationen konsequent zu entlarven. Das bedeute, die Medienkompetenz in der Bevölkerung deutlich zu stärken – eine zentrale Aufgabe für Bildungseinrichtungen, Medien und Kulturinstitutionen. Werner räumte jedoch ein, dass viele Mitbürgerinnen und Mitbürger, „die sich ihr eigenes Weltbild geschaffen haben“, vermutlich schon nicht mehr erreichbar seien.

Manipulierte Bilder seien dabei ein besonders wirkmächtiges Instrument. „Lügen müssen sich tarnen“, so Werner. „Und Bilder sind die ideale Tarnung.“ Dass Bildmanipulationen keineswegs ein neues Phänomen seien, belegte er mit Beispielen seit dem Ersten Weltkrieg. Neu sei jedoch, dass heute jeder solche Fakes auf Plattformen wie X (Twitter), Facebook oder TikTok in Sekundenschnelle verbreiten könne.

Die Ursachen der Desinformation lägen weniger in der Technik selbst, sondern vor allem in der Bereitschaft vieler Menschen, Unwahrheiten zu glauben – vor allem dann, wenn diese ins eigene Weltbild passten. „Die Lüge dient als Konkurrenz zur Wahrheit“, betonte Werner. Als eindrückliches Beispiel nannte er die von US-Präsident Donald Trump fortwährend behauptete „Gestohlene Wahl“. Daran zeige sich, dass Social Media sich zunehmend von einem Diskursraum zu einer Kollisionsplattform entwickle.

Insgesamt wurde bei dem Vortrag deutlich, dem sich eine rege Diskussion anschloss, dass die historische Vermittlung heute vor einer doppelten Herausforderung steht: Sie müsse digitale Kanäle nutzen, um Menschen zu erreichen – und zugleich deren Risiken offen thematisieren. Journalistinnen und Journalisten, Historikerinnen und Historiker sowie Institutionen wie der Dombau-Verein Minden hätten eine Schlüsselrolle dabei, Orientierung zu geben und den Wert verlässlicher Quellen zu vermitteln.

Der Vortrag von Frank Werner machte eindrucksvoll klar: Geschichtsvermittlung bedeutet heute mehr denn je, für Wahrheit, Transparenz und faktentreue Information einzustehen – gerade in Zeiten von KI.

Quelle: DVM

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